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Längst zeigt sich der russische Kunstmarkt nicht mehr so getrieben von bloßer rückwärtsgewandter Sehnsucht nach der Zarenzeit wie noch vor ein paar Jahren, als lediglich die hübschen und fantasievollen Schöpfungen von Fabergé oder die vielen Cloisonnée-Arbeiten – meist in Form von Schalen, Kovschs und Bechern für die wohl trinkfesteste aller Nationen – hoch im Kurs standen. Auch ist die Zeit für die in Massen gemalten, ziemlich belanglosen Tscherkessenreiter in trockenen Steppenlandschaften von Franz Roubaud schon wieder vorbei, die durch das Engagement russischer Bieter in den europäischen Auktionshäusern die Kassen haben klingeln lassen. Das russische Kunstpublikum gibt sich mittlerweile eher international, vor allem, was seine Ansprüche an den Secondary Market angeht. Auch das Interesse an der Contemporary und Emerging Art wächst und gedeiht in Russland, ist aber noch ausbaufähig. Wichtige internationale Händler und Galerien gaben im Mai 2007 ihr Stelldichein zur Luxus-Messe „Moscow World Fine Art Fair“ in der Moskauer Manege und 66 Galerien präsentierten sich wenige Tage zuvor mit zeitgenössischer Kunst auf der „Art Moscow“, die nun schon zum elften Mal im Central House of Artists stattfand. Die vierte Ausgabe der „Moscow World Fine Art Fair“ gab sich wie gewohnt vornehm. Champagner floss auf der VIP-Eröffnung in Strömen und er hätte ewig weiter fließen können, für soviel war jedenfalls gesorgt. Die untere Etage der einen Steinwurf vom Roten Platz entfernten Manege war den weltweit führenden Juwelieren vorbehalten, darunter Bulgari, van Cleef & Arpels und im Gemeinschaftsverband Graff, Harry Winston, Tiffany & Co und Uhrenkönig Patek Philippe. Dort tummelten sich die sehr schönen, blutjungen und langbeinigen, eher ungeschickt denn wirklich elegant gekleideten Russinnen, die sich um einen guten Model-Job oder das Laufen auf dem Catwalk nicht mehr reißen müssen, da sie bereits an der Seite kleiner, dicklicher, um Längen älterer Herren gelandet sind, die sowieso alles bezahlen können, was ihre Herzen begehren. Den auf der oberen Etage angesiedelten Kunsthändlern und Galeristen begegneten diese Damen dann doch eher mit Unverständnis, hier ging es um die geschmacklichen Bedürfnisse ihrer älteren Herren. Denn nicht nur die Juweliere, auch der Kunsthandel fuhr starke Geschütze auf, versuchte mit glänzender Ware ebensolchen Umsatz zu machen und verriet natürlich über die Geschäfte wie üblich nur das Allerwenigste. Eines war jedoch klar: Auf der „Moscow World Fine Art Fair“ hatten alle nur eines im Visier, nämlich das Oligarchengeld. In Russland ist im Bereich der Alten Kunst der pompöse imperiale Stil gefragt oder das wirklich museale Altmeistergemälde. Mit 26 Ausstellern war Frankreich auf der Messe sehr präsent und übertraf damit sogar die Moskauer Gastgeber um vier Aussteller. Der imperiale Dekorationsstil der Grande Nation, die Malerei des Impressionismus und die der Ecole de Paris, zu der nach der Oktoberrevolution viele russische Künstler gehörten, treffen derzeit den Nerv der kultivierten und reichen russischen Gesellschaft – neuerdings erstaunlicherweise auch die dekorativen Glasobjekte der Ecole de Nancy, von denen es ein breites Angebot auf der Messe gab. Deutschland hatte nicht einen einzigen Aussteller auf die Messe entsandt, was nicht für den Einzelhandel im Secondary Market des deutschen Binnenmarktes spricht. Altmeistergemälde, Malerei des 19. Jahrhunderts und der Klassischen Moderne waren an ausgesuchten Ständen auf TEFAF-Niveau anzusiedeln. Zu den Spitzenstücken der Messe gehörte ein sehr gut erhaltenes museales Gemälde von Pieter Breughel d. J., Der Kindermord zu Bethlehem, das Galerie de Jonckheere aus Paris mitbrachte, die zum vierten Mal an der Schau teilnahm. Die aus einer Folge von sieben Bildern stammende Darstellung bezifferte die Galerie mit 12 Mio. Euro. Erstteilnehmer Partridge Fine Art aus London stellte sich mit sehr exquisiten Möbeln in vorderste Front: Einen englischen Aufsatzsekretär aus der Zeit um 1715 als blaues Lackmöbel mit Goldbemalung gab es dort für 1,9 Mio. US-Dollar; eine riesige, geschnitzte und vergoldete Kaminverkleidung in originaler Erhaltung mit Spiegelaufsatz aus dem 18. Jahrhundert (George III) für 1,1 Mio. US-Dollar. Hochwertige Möbel, Dekoration, Kunstgewerbe und Skulptur zeigten außerdem B. & B. Steinitz (Paris und London) und Ratton-Ladrière (Paris). Dass Deutschland für die Manege-Aussteller eine Top-Einkaufsquelle ist, zeigte sich bei der Schau von „Academy of Fine Arts“ aus Moskau, wo eine ganze Reihe wohlgenährter Klosterbrüder um die großformatige Zecherszene Ungebetene Gäste von Eduard von Grützner arrangiert hingen. Das letztgenannte Gemälde des bekannten Vertreters der Münchner Malerschule war in der Märzauktion 2006 für einen Hammerpreis von 90.000,- Euro bei Hampel Kunstauktionen in München vom Block gegangen. Die Messe-Verkaufspreise konnte man auch hier leider nicht erfahren. Aus dem Art Déco haben es den Russen die Figurinen des „Ballet Russe“ von Demetre Chiparus angetan. Maricevic Fine Art & Antiques (Moskau) hatte solche kurz zuvor bei einem der angelsächsischen Auktionsriesen in London ersteigert, wo die Solotänzer und Gruppen im Vergleich zu den Messepreisen noch günstig zu haben waren, denn in Moskau wurden die teuersten mit bis zu 400.000,- Britischen Pfund ausgezeichnet. Ebenfalls überaus begehrt sind momentan die dekorativen Arbeiten von Marc Chagall. Die Pariser Galerie Taménaga hatte gleich zwei davon in Öl auf Leinwand aus den Jahren 1970 und 1973 im Gepäck, die beide im siebenstelligen Euro-Bereich angesetzt waren. In bescheideneren Regionen operieren die Aussteller der „Art Moscow“. Unter den 66 Teilnehmern, darunter allein 26 aus Moskau und viele weitere aus der russischen Föderation, waren auch elf deutsche, die sich trotz der vielen Probleme durch die komplizierten Grenzsituationen nach Moskau aufgemacht hatten. Aus Berlin nahmen Bereznitsky und Volker Diehl teil, aus Köln Lumas, aus Düsseldorf Burkhard Eikelmann und Schübbe Projekte, aus München Karin Sachs. Auch Grossisten wie Vonderbank Art Galleries mit verschiedenen Sitzen in Deutschland präsentierten sich. Nach den Beobachtungen von Volker Diehl war die Atmosphäre in Moskau, in der man sich allerdings immer noch sehr auf russische Kunst konzentriert, gut. „Der russische Markt ist zweifelsohne im Wachsen begriffen“, erklärt Diehl, wohl aber nicht nur in Moskau selbst. „Seit zwei, drei Jahren interessieren sich junge russische Sammler zunehmend für internationale Kunst und besuchen auch internationale Kunstmessen, um sich zu informieren“, so Diehl weiter. Wobei wohl auch Potential aus der russischen Galerienszene zu erwarten ist, denn Diehl ist der Überzeugung, „dass russische Galerien sicherlich auch auf anderen internationalen Messen wie Basel, Miami oder London gut verkaufen würden, da auch dort das Interesse an junger russischer Kunst immer stärker wird. In Moskau verkaufen sie natürlich eh gut, das ist für sie ja ein Heimspiel“. Diehl selbst hat in Moskau – wo prinzipiell keine Institutionen, sondern ausnahmslos Privatsammler kaufen – nur Arbeiten seiner russischen Künstler verkauft, nämlich von dem in Moskau lebenden Blue Noses nennen. Diehls Verkäufe lagen zwischen 5.000,- und 25.000,- Euro. Für die Zukunft müsste sich seiner Meinung nach der russische Markt auch „weiterhin für internationale Kunst öffnen“. „Internationaler zu sein“, wünscht sich auch Elena Kuprina, Besitzerin des Moskauer E.K.ArtBureau für Kunst ab 1980 und zeitgenössische Positionen, für die Zukunft ihres heimischen Marktes. Ihr „ArtBureau“ – das von der Stella Art Foundation in Moskau als eine der besten Galerien des Landes für die „Art Athina“ in Athen ausgesucht worden war, die Russland dieses Jahr als Gastland präsentierte – stellte zwar nicht auf der „Art Moscow“ aus, doch hält Kuprina die Messe für eine wichtige Plattform, sozusagen das Entrée in die Moskauer „Kunstgesellschaft“. Elena Kuprina selbst würde als Ausstellerin die Art Basel und die Art Basel Miami natürlich vorziehen. Wer wohl nicht. |
Bettina Krogemann